„Wüste? Joah, muss jetzt nicht unbedingt sein“, dachte ich vor meiner Reise und stellte mir vor, dass ich Durst darbend stundenlang über Sand und Geröll stapfen und das größte Spektakel ein paar Kakteen am Wegesrand sein würde. Ich liebe Wälder und Wiesen und stellte mir deshalb die chilenische Atacama Wüste, die als die trockenste Wüste der Welt gehandelt wird, ziemlich trostlos vor. Trotzdem habe ich mich in La Serena in den Bus gesetzt und bin16 Stunden lang in die Wüste gefahren und sie hat mich komplett vom Hocker gehauen. (Die Vorgeschichte dazu gibt es hier: Drama mit Panorama)
Nie habe ich vorher eine solche Weite gesehen. Am Horizont die Andenkordilleren und ein Licht, das schlicht spektakulär ist. Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, an denen die Luft so klar ist, wie hier und deshalb gibt es in der Atacama Wüste beinahe so viele Superteleskope wie Kakteen. Weltweit haben Astronomen Sternchen in den Augen, wenn sie das Wort Atacama hören. Die chilenische Regierung hat Unsummen an Steuergeldern investiert, um die Straßenbeleuchtung in dieser Region umzurüsten, damit sie möglichst strahlungsarm sind und die Himmelsforscher nicht behindern. Das freut nicht nur die Wissenschaftler, sondern ist auch furchtbar romantisch.
Blick am Horizont, im Kopf das Universum
Ich bin mit einem zweistöckigen Bus in La Serena losgefahren und hatte einen Sitz hinterm Panoramafenster ganz vorne bekommen. Auf der Ablage unterm Fenster kann man seine Beine prima ausstrecken, sodass ich mir beinahe liegend die Landschaft wie auf einer Kinoleinwand ansehen konnte. Und was soll ich sagen? Ich hatte erst einen Riesenhorror vor 16 Stunden im Bus, aber es war tatsächlich ein Genuss. Besser als Kino.
Hier kann ich meinen Blick an den Horizont heften und während diese gigantische Landschaft an mir vorbeizieht, hochtrabende Gedanken hegen. Das Leben im Allgemeinen betrachten, das Schicksal der Menschheit abwägen und das fühlt sich dann auch noch ganz selbstverständlich an.
Das Schönste in der Wüste ist das Licht. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass die Luft hier so klar ist. Am Horizont wird die Luft sanft und diesig und hüllt alles in ein rauchiges taubenblau, sodass die Andengipfel beinahe kuschelig wirken. Auch wenn hier kilometerweit Sand derselben Farbe und Struktur liegt, malen Licht, Weite und Perspektive Schichten aus warmen beigen, kaffeefarbenen, zitronengelben, himmelblauen, rauchigen und manchmal auch beerenfarbenen Schattierungen. Und nach all der Zeit, die ich auf Computerbildschirme, Raufasertapeten und Beton geschaut habe, ist das wie Yoga für die Augen.
San Pedro ist ziemlich touristisch und es ist nicht leicht, einen guten Anbieter für Ausflüge in die Wüste zu finden, aber ich hatte Glück. Nachdem ich einen Tag lang hin und her überlegt hatte, hatte ich irgendwann keine Lust mehr, zu vergleichen und habe eine Tour über das Hostel (San Pedro Backpackers), in dem ich übernachtet hatte, gebucht. Und ich hatte großes Glück: Die Führerin, deren Namen ich leider wieder vergessen habe, war großartig. Sie hat die Gruppe mit viel Herz und Verstand durch das Valle de la Muerte und das Valle de la Luna geführt. Seit sechs Jahren macht sie diesen Job schon und ich war beeindruckt, wie motiviert sie nach so langer Zeit noch immer ist. Ihre Begeisterung für die Farben, die Landschaft, die Pflanzen und Tiere hat sich sofort auf die ganze Gruppe übertragen.
Sie ließ uns zwei Minuten lang schweigen, damit wir das Gestein in der Sonne knacken hören können, führte uns in eine Höhle, zeigte uns grüne Kanninchen und erklärte uns, dass Vicuña-Männchen ein stressiges Leben führen, weil sie für einen ganzen Harem verantwortlich sind.
Nebenbei kümmerte sie sich rührend um eine chilenische Dame, die mit den leichten Kletterstrecken Probleme hatte. Entsprechend begeistert war ich, als ich bei der nächsten Tour zu den Tatio-Geysiren morgens um vier in den Bus stieg und wieder von ihr begrüßt wurde. (Mehr dazu bald auf Rock und Rollkoffer.)
Hier die Fotostrecken mit spektakulären Wüsten-Fotos – nur besser in echt:
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Drama mit Panorama
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